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Gelöschtes Mitglied 111
Gast
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Viele gute Ansätze, aber doch ein paar Sachen, die mich motovieren, Hintergrund zu liefern.
ein kleiner Exkurs in die akustische Messtechnik und unser Hörsystem:
dB sind physikalisch messbar und 6 dB Schallleistung ist doppelte Amplitude/ doppelter Schalldruck.
Berechnet wird Schalleistungspegel als 20*log10([gemessener Schalldruck]/[Bezugsschalldruck]).
Berechnet wird Schaldruckpegel als 10*log10([gemessener Schalldruck]/[Bezugsschalldruck]).
Schalldruckverdoppelung sind also +6dB Leistungpegel oder +3dB Schalldruckpegel.
(Verdoppelung: z.B. 10*log10(40µPa/20µPa) -> log10(2) = 0.3 Bel -> 3 deziBel)
Der Bezugsschalldruck ist 20µPa - ein ziemlich willkürlich festgelegter (allerdings in den Normen verankerter) Wert, der ganz grob die Hörschwelle bei den meisten "Normalhörenden" liegt. Hörschwelle heißt dabei, dass ein von außen kommender Reiz, das "Grundrauschen" im Hörsystem übersteigt - das Grundrauschen verursacht durch stochastisch oder z.B durch Blutpulsation ausgelöste Nervenreize.
Der Hörreiz skaliert in grober Näherung so, dass 10dB Schallleistung einen doppelt so großen Reiz auslösen. Das ist gewissermaßen die Übersetzung von Mechanik (Schalldruck, Trommelfellschwingung, Hammer, Amboss, Steigbügel, Cochlea) in Elektrik (Nervenaktivität). Es gibt aufgrund des Aufbaus unseres Hörapparates die Besonderheit, dass gleicher Schalldruck bei unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlichen Hörreiz erzeugt - die maximale Empfindlichkeit liegt etwa im Bereich von 1kHz bis 3kHz. Das wird bei der dB(A)-Berechnung berücksichtigt und ein dB-Pegel von 50 erzeugt bei 2 kHz tatsächlich ca. 52 dB(A) bei 100 Hz oder 15 kHz aber nur etwa 30 dB(A). Das ganze ist dann noch nichtlinear hinsichtlich der Schalldruckerhöhung und so kommen wir zur Phonskala.
Lautstärkeempfindung ist individuell und nicht messbar. Menschen reagieren auf gleiche Reizstärke unterschiedlich. In ganz grober Näherung wird die durchschnittliche(!) Lautstärkeempfindung über die Phonscala, frequenzselektive Filterung (A/B/C/D-Kurven), oder experimentell bestimmte Algorithmen wie z.B. die Lautheitsberechnung nach Zwicker abschätzbar. Diese Verfahren berücksichtigen nicht andere wesentliche Eigenschaften, die ein Geräusch haben kann. Beispielhaft seien genannt zeitliche Eigenschaften wie Schärfe, Rauhigkeit, Schwankungsstärke und spektrale Eigenschaften wie z.B. Tonalität. Die Beeinflussen aber nicht das Maß der organischen Schädigung sondern nur das Störempfinden. Ein rauhes Geräusch mit gleichem Schalldruck wird i.d.R. störender empfunden (das sieht der Ducatisti natürlich anders!).
Störempfinden ist sehr individuell und nicht zwingend mit Schalldruck oder Lautstärkeempfindung korreliert. Wer war nicht schon auf einem Rockkonzert . Wenn die Mucke passt sind die 80-90 dB die man 100 Meter vor der Bühne abbekommt zu wenig und man geht weiter nach vorne um die 100 pder 110 dB zu haben. Und wenn die Nachbarn in der Küche mit 50 dB Toni Marschall hören und davon 40 dB auf dem eigenen Balkon ankommen (es ist ja Sommer und die Fenster stehen offen), dann ist man genervt und in seiner Entspannung gestört. Wir reden da über einen 1000fach kleineren Schalldruck der nerven kann!
Organische Schädigung am Hörapparat kann man (wenn man will) recht gut steuern über Pegelhöhe und Einwirkzeit. Zum Schutz der dem Schall ausgesetzten Menschen gibt es gesetzliche Regelungen, die die Lärmemission von Schallquellen begrenzen sollen. Das heißt aber nicht, dass gesetzeskonforme Schallabstrahlung nicht zu Schadigungen führen kann und schon garnicht, dass keiner genervt ist.
Und warum das dann zu Streckensperrungen und lustigen(tm) Öl- oder Drahtspannaktionen führt?
Es gilt imho zu unterscheiden, ob jemand
- vom zulässigen Geräusch gestört wird (Anwohner, der täglich mit 100en von Moppeds konfrontiert wird) oder
- durch nichtzulässige Geräusche geschädigt wird (Anwohner, der gelegentlich oder öfter eine 110dB-Tröte ertragen muss).
- genervt/verängstigt ist, wenn besonders sportliche Fahrer innerorts signifikant zu schnell unterwegs sind und durch die physische Gefährdung von Anwohnern und Verkehrsteilnehmern Stress erzeugen
Davon abgesehen, gibt es noch Pedanten und Ignoranten, die glauben Motorradfahrer sind böse, kriminelle und sowieso rücksichtslose Outlaws. Blöderweise gibt es sogar ein paar, auf die das zutrifft...
Und natürlich ist alles was gegen uns Motorradfahrer geht böse, kriminell und rücksichtslos...
Schuld - ich denke das kann man unterschreiben - sind jedenfalls die Anderen
Ich hoffe, mit meinem Exkurs in die Akustik nicht genervt zu haben.
Es ist recht schön wenn du hier dein ganzes Wissen rauskramst und preisgibst.
Ganz nebenbei auch leichte Korrekturen an vorherigen eigenen Bewertungen vornimmst.
Einzig, da kann man noch so viel Fachchinesisch aus der Tasche ziehen.
Fakt ist einfach: überflüssiger oder unnötiger Lärm ist ärgerlich, kann sehr stören.
Da braucht man gar nicht mit hochgestochenen Theorien kommen.
Spezi hat es abschließend sehr gut auf den Punkt gebracht: Eigentlich gehören DB-Eater fest in die Schalldämpfer integriert.
Ist dann daran rummanipuliert worden, hätte ich nichts dagegen wenn die Polizei richtig saftige Geldstrafen verhängen dürfte! Punkt!
Und- als kleine Erweiterung- ich hätte nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber auch Auspuffklappen noch einmal kritisch beleuchten würde.
Ich möchte nämlich- fernab aller theoretischen Abhandlungen- auch in den nächsten Jahren noch genussvoll über möglichst nicht
für Motorradfahrer gesperrte schöne Landstraßen fahren.