KiloZeBeF
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...sehr häufig ist die Gruppe schuld, weil nämlich jeder versucht dranzubleiben, wenn vorne nicht geschaut wird, und dann übernimmt sich der eine oder andere weiter hinten: entweder Kurvenschneiden, wildes Überholen oder alle Regeln bzgl Sperrflächen, durchgezogene Linie etc ignorieren ...sieht man doch jede Woche live und in Farbe. Gruppendruck ist schon meist in der Jugend nicht das beste, nur am Zweirad wird es über alle Jahre nicht besser. Ein vernünftiger (!) Vorfahrer hilft hier allen Verkehrsteilnehmern...
Vg juschka
Einerseits nicht unberechtigt, aber ich seh das etwas anders. Ich sehe viele Fahrer, die zwar alles das tun, was Du da beschreibst, aber nicht weil vornedran wer zu schnell fährt und nicht schaut, sondern weil der der das tut, falsch schaut.
Vor meinem ersten Training war ich über Umwege mit einem mittlerweile sehr liebgewonnenen Netbikerhaufen eine Woche in Frankreich unterwegs. Damals hielt ich die alle für grenzwertig schnell und ich lief jeden Tag hart an meinem Limit und hatte einige aus meiner Sicht grenzwertige Erlebnisse, während alle anderen tiefenentspannt waren. Die haben dann nach dem Tagewerk abends über Rennstrecken diskutiert, was ich für total blöd hielt - aber die Leute waren durchweg mindestens in Ordnung. Bisschen Motorradcrazy und für mich unverständlicherweise auf Kringeln auf Sekundensuche... ist heute noch nicht so richtig mein Ansinnen... Sekunden sind mir eigentlich egal.
Dank Falo und Irol bin ich einige Zeit nach diesem Urlaubsevent in einem Rookie-Kurs gelandet und habe vom Thema Blickführung gehört. Naja, das war am Hockenheimring, der ziemlich geradeausgeht, wenn man nicht reichlich schnell fährt - wenige stellen, an denen man bei u100 sehr schräg wird. Schräglagenangstr hatte ich zu der Zeit keine mehr - ich konnte nach dem Auslegermopped mit meiner Dicken mehrere Kreise in Folge auf der Fußraste drehen - in beide Richtungen... voll der Held. Mir war's trotzdem zu schnell und zu breit und überhaupt, was will ich da. Wenig mitgenommen... aber ein bisschen schon, wie ich im freien Feld bemerkte.
Bei mir war durch jahrzehntelange autodidaktische Falschanwendung eine kaputte Blickführung derart verinnerlicht, dass ich fast nicht anders konnte, als falsch gucken - und damit kam ich regelmäßig in Fahrsituationen, die mich völlig überfordert haben. Notbremsungen vor harmlosen Kurven, schneidend durchziehen, mit knirschendem Split vor der Leitplanke anhalten... kam einzweidreimal im Jahr vor und war mir früher unheimlich - nach dem Training wusste ich warum es so kam.Selbst ohne gefährliche Momente hatte ich eine "pumpende" Fahrweise... also langsam sicherer und schneller werdend, um irgendwann aus irgendeinem Schreck oder Unvertrauen komplett einzubrechen.
Dank Ducthomas bin ich dann mal zum Kartbahntraining am Hunsrückring gekommen und wer bei 17 Kurven auf 1350m nicht weiß wo man idealerweise hinschaut oder nicht permanent korrekt guckt, der ist vor lauter verwirrenden Kurven spätestens nach drei Richtungswechseln komplett aus dem Konzept.
Nach dem Kartbahntag saß das mit der Blickführung derart gut, dass ich mit ungeahnter Leichtigkeit und ohne einzubrechen Tagestouren fahren konnte. Wenn mal was komisch war kannte ich die Ursache: Scheiße gucken, scheiße fahren! Konzentrieren, Blicktechnik anwenden und sofort wieder einsatzfähig - statt wie früher über lange desorientierte Strecken wieder Vertrauen aufbauen zu müssen. Ich frage mich heute manchmal, wie ich so lange Jahre völlig ahnungslos Spaß am Moppedfahren haben konnte und warum ich mir des Risikos nicht bewusster war, in dem ich mich bewegt habe.
Heute bin ich etwa 15 Übungstage weiter und mein Wohlfühlbereich liegt ganz woanders, als früher und ich komme aus eigener Kraft kaum in grenzwertige Situationen (jaja, kann man auch anders darstellen... CBF zerlegt und auch mit dem Quirl schon ein wahrlich eindrucksvolles Erlebnis) und es gelingt sehr gut im Kurveneingang abzuschätzen wieviele Eier ich brauche um mit welcher Geschwindigkeit rein zu fahren und heil raus zu kommen. In Spiellaune komme ich erst seit ich mich darauf verlassen kann, dass ich nicht spontan mental aussetze, weil irgendwo ein Steinchen liegt, oder in einer Kurve Gegenverkehr auftaucht. Ich weiß, wo ich hinschaue und weiß, dass ich fahrdynamisch reichlich Luft habe - was kümmert mich der periphäre Kram. Eine Kurve die zu macht? Hui! Also weiter rein, Blick nachstellen, locker in den Armen und Schultern bleiben, ggf. Sitzposition bewusst machen, Oberkörper nach innen... hilft. Alles weitestgehend automatisiert. Alles gut.
Zurück zur Gruppe: die Raser vom ersten Frankreichurlaubshaufen habe ich dann regelmäßig für Wochenausfahrten begleitet und gemerkt, dass die garnicht rasen, sondern sehr antspannt sind und wissen was sie tun. Mittlerweile kann ich bei den langsamen locker mithalten und langweile auch die besseren Fahrer nur wenig. Dass die mal wegziehen liegt nicht daran, dass sie nicht gucken, sondern daran, dass sie konzentrierter fahren und vor allem wissen was sie tun. Gefährlich ist das Fahren mit denen nur, wenn ich vergesse was ich tu oder in ein Konzentrationsloch falle.
Ein Vorfahrer bringt nur was, wenn er was kann. Mit guten Leuten zu fahren führt einen möglicherweise an seinen eigenen Leistungshorizont, aber dort ist nicht die Vernunft des Vorfahrers gefragt, sondern die eigene.
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