Nachdem ich die Karre heute gefahren bin, würde ich sagen: Nischenprodukt mit Zukunft. Die Nischen "alte Männer mit Kohle, die keine 1200er GS (egal von welcher Marke...) fahren möchten" und "sowieso schon vorsichtige Fahrer mit einem Bedürfnis nach noch mehr Sicherheit" sind ja gar nicht so klein.
Ich wollte diese Mühle ja gar nicht mögen - allein schon wegen der von Yamaha propagierten falschen Aussprache des Namens - habe ihr aber eine Chance gelassen. Und sie gefällt mir immer noch nicht.
Im Nachhinein fühle ich mich wie ein Porsche 911 Carrera Fahrer, der gerne mit 300 Sachen über die Autobahn heizt, und dem empfohlen wird, ICE zu fahren. Dieser würde sicher nicht mit Antworten wie "Wow, geil, noch 30 km/h schneller als mein Porsche!" oder "Krass, ey, wie viel sicherer das ist!" reagieren.
Andererseits durften wir die Niken gar nicht so richtig testen. Traktionskontrolle und Mapping standen auf 2 und ich hatte keine Chance, das vor oder während der Fahrt zu ändern. Mit diesen Einstellungen fühlt sich die Niken nach viel weniger Wumms als die SC58 an.
Natürlich ist das Fahrwerk geil! Wir wurden gebeten, Kanaldeckeln, Bitumen, Rollsplit und so weiter
nicht auszuweichen. Und es wurde noch schlimmer! Der Yamaha-Fuzzi ließ uns ohne Abzubremsen mit einem Rad in den Straßengraben oder auf niedrige Randsteine fahren und es passiert einfach gar nichts! Dass das so extrem gut geht, hätte ich nicht erwartet.
Auch wenn mal beide Vorderräder in ein Schlagloch gerieten, merkte ich trotz nur 110 mm Federweg verdammt wenig. Nicht übel!
Die Kurvenlage ist auch nicht von schlechten Eltern - die Konstruktion lässt einiges als Schräglage zu. Wir sollten Kurven enger und schnell als gewohnt fahren, haben das gemacht, und die Vorderreifen schmieren natürlich nie weg. Das Hinterrad dagegen verhält sich wie bei jedem anderen Motorrad und nicht nur bei mir gab es leichte Rutscher. Allerdings war bei mir anfangs in den Kurven vorausfahrerbedingt leider viel Gewicht auf den Vorderrädern...
Die Niken fährt unglaublich stabil, schwingungsarm, gutmütig und angenehm. Durch die Konstruktion, Stabilität und das Gewicht (263 kg) lässt sie sich nicht so agil in die Kurven fallen wie viele andere Motorräder, inklusive unserer CBFs. Man muss sie aber auch nicht drücken wie manche schwere Cruiser. Während sich die Niken die meiste Zeit wie ein normales Motorrad anfühlt, merkt man in den engen Kurven, dass etwas anders ist. Das kann man nicht mit Zweirädern vergleichen.
Also: Kurven gehen, und zwar richtig, richtig schnell! Nur leider fühlt sich das nicht so an - und genau das ist mein Problem mit der Niken. Vor einer Weile sagte ein Kumpel, er sei in den Kurven mit seiner 35 Jahre alten Harley schneller als mit seiner Bandit. Wir lästerten: Er sei nicht schneller, sondern 30 Sachen fühlten sich halt auf der Harley wie 90 auf der Bandit an.
Bei der Niken ist es anders herum:
Du kannst in einem Affenzahn um die Kurven ballern, fühlst dich aber so, als wärst du auf einem Elektrorollstuhl gemütlich um die Hausecke gerollt. Wo bleibt denn da der Spaß? Das ist doch total öde! Wenn man wenigstens noch was von der Landschaft sehen würde - aber das geht bei dem Tempo ja auch nicht mehr.
Um den gleichen Kurvenspaß wie auf der CBF zu verspüren, müsste man wohl einfach noch schneller fahren. Geht aber auch nicht, da nicht legal (okay...) und außerdem gibt es ja auch Hindernisse, bei denen die zwei Räder vorne auch nicht mehr helfen. A propos - ob die breite Front bei einem Wildunfall wohl von Vor- oder Nachteil wäre?
Wenigstens sind die Bremsen vorne sehr gut. Hinten regelt das ABS IMHO viel zu früh.
Was nehme ich von der Fahrt nun mit? Die Erkenntnis, dass der Zugewinn an Sicherheit und Kurvengeschwindigkeit hier mit einem Verlust von Fahrspaß einher geht. Und ein Lanyard.
Ich frage mich, ob ich morgen noch mal dorthin und die Strecke mit der CBF und mit der Niken im 1er Mapping fahren soll. Aber so richtig motiviert bin ich nicht, denn wirklich warm werde ich mit dem Doppelschwert eh nicht werden. Wobei ich da wohl der einzige bin - alle anderen waren begeistert.
Viele Grüße
Timo