schredder66
Member
Ja, tatsächlich: Fragezeichen und Ausrufezeichen im Titel.
Hallo Fremdmarkentreiber,
wird die Ducati mein neues Spielzeug, das den Platz neben der Dicken einnehmen darf? Ich bin unentschieden, deshalb das ? und das ! im Titel.
Die Icon ist alles andere als perfekt. Dieses Unperfekte gilt nicht für die Verarbeitungsqualität oder die Materialanmutung (die ja in Deutschland immer Premium sein muss). Das Fehlen an Perfektion könnte man auch mir anlasten. Denn als relativ großer (182 cm) und schwerer (94 kg Lebendgewicht) Mitteleuropäer bin ich auf den ersten Blick nicht mit Ducati-tauglichen Maßen gesegnet.
Kritikpunkt 1: Der Lenker
Für mich ein "Apehanger", zudem stark zum Fahrer geneigt. Aber immerhin schön breit. Möglicherweise hilft aber ein flacher(er) und genauso breiter SBK-Lenker die Situation zu entschärfen. Ob dann die nicht die Ästhetik leiden würde? Möglich. Möglich aber auch, dass der Cafe Racer aus der Scrambler-Familie die bessere Wahl wäre.
Kritikpunkt 2: Die Sitzbank
Durch den Verlust von ca. 14 kg Lebendgewicht scheint mein Sitzfleisch gelitten zu haben. Konnte ich in "schweren" Zeiten auf der Dicken Tagesetappen von 300 und mehr Kilometern "auf einer Backe abreissen", bin ich heutzutage froh, wenn ich endlich vom Sattel runter komme. Die erste Sitzprobe auf der Ducati ließ nichts Gutes ahnen, denn bereits beim Aufsitzen protestierte mein Allerwertester. Immerhin bietet Ducati, selbstverständlich gegen Aufpreis, diverse Sitzbankvarianten an. Darunter sogar eine komfortable. Die von mir gefahrene Icon war mit der Seriensitzbank ausgestattet. Man kann zwar weiter nach hinten, auf die breitere Sitzfläche rutschen, aber dann sitzt man auf einer spürbaren Kante. Die vorderstmögliche Sitzposition unterstützt immerhin das Vorderrad-orientierte, spaßige Fahren im kurvigen Geläuf.
Kritikpunkt 3: Das Kaltstartverhalten
Trotz moderner Einspritztechnik und moderaten Aussentemperaturen während der nächtlichen Ruhephasen, braucht der Motor einige Sekunden, um sauber und ohne Verschlucker Gas anzunehmen. Das mag, wenn man in der Ebene anfährt, zweitrangig sein. Wenn man aber eine steile und kurze Rampe hoch muss, um auf die Strasse zu kommen, dann wird es etwas kniffeliger. Da lohnt es sich für des Fahrers Wohl, den Motor kurz warmlaufen zu lassen. Aber nicht minutenlang, das käme auch der Umwelt zugute.
Kritikpunkt 4: Die Kupplung und das Getriebe
Die Kupplung (Mehrscheiben im Ölbad) "klebt" nach dem morgendlichen Kaltstart und lässt sich selbst mit Feingefühl nur schwer dosieren. Das gibt sich aber relativ schnell. Liegt möglicherweise am kalten und damit zähen Öl im Bad - oder daran, dass es sich um eine Antihopping-Kupplung handelt. Da ich bisher keine Erfahrung mit Antihoppler habe, kann ich es nur vermuten. Dafür lässt sie sich für eine mechanische Kupplung erstaunlich leichtgängig und mit wenig Handkraft betätigen. Das Hochschalten geht relativ leicht - muß aber mit Nachdruck ausgeführt werden. Mehr Nachdruck erfordert das Runterschalten. Nicht ganz geräuschlos, aber weit entfernt von krachend. Etwas tricky ist das Suchen und Finden des Leerlaufs. Möglicherweise ist es ein Feature, möglicherweise aber auch nur eine Einstellungssache.
So viel Kritik bisher, und trotzdem verliebt? Das scheint wohl das Geheimnis der Italienerinnen zu sein
.
Pluspunkte: Der Verbrauch, das Getriebe und der Motor
Okay, meine "Probefahrt" war nur 890 Kilometer lang (siehe Reisethread im Unterforum "Westeuropa") und führte mich ausschliesslich über kruviges bis sehr kurviges Geläuf. Dabei hielt ich mich auf gut asphaltierten Strassen weitestgehend ans Tempolimit, ausser in Kruven, die auch mehr als das Erlaubte erlaubten. Auch kilometerlange Etappen über Schotterstrecken (bergauf max. 30 km/h im 2. Gang, bergab max. 20 km/h und teilweise im 1. Gang) waren dabei. Und eine Menge Schalterei. Der Durchschnittsverbrauch lag meist bei ca. 5 Litern / 100 km - mit mehr Tendenz Richtung 4 als Richtung 6. Bei solchen Verbräuchen verliert auch ein "popeliger" 13,5-Liter-Tank seinen Schrecken - in einer eher Tankstellen-armen Region.
Der Motor lebt. Das hört man, nicht nur aus dem Termignoni-Auspuff. Auch sehr sympathisch: Der stets präsente, aber nie störende V2-Schlag. Er hört und fühlt sich wie ein rauher Geselle an, aber er ist erstaunlicherweise keine Schüttelhuber, der im Stand Spiegelbilder verzerrt oder gummigelagerte Blinker mürbe wackelt. Auch störende oder Gliedmaßen-betäubende Vibrationen sind ihm fremd.
73 PS bei 8.250 U/min und 67 Nm bei 5.750 U/min lesen sich vielleicht nicht übermäßig sportlich oder durchzugsstark. Aber dank des geringen Gewichts von fahrfertigen 186 kg, zeigt sich der Motor in Kombination mit der Gebtriebe-Übersetzung alles andere als unwillig. Anders als der mir wohlvertraute, ähnlich starke und vergaserbefeuerte 650er Suzuki-V2 aus meiner Cagiva, nimmt der 803 ccm große V2 (oder L2) bereits ab ca. 2.000 U/min Gas an und zieht kaum schüttelnd sauber durch. Der Ritt durch die Drehzahlen fühlt sich weniger nach "Tritt ins Kreuz" an, sondern mehr nach Gummiband. Für den lockeren Swing durchs Gebirge sind 4.000 U/min ein guter Schaltpunkt. Schneller und mit höherer Drehzahl geht immer. Ich hatte aber den Eindruck, dass der Motor Drehzahlen über 5.000 U/min weder braucht noch mag. Anders als der erwähnte Suzuki-V2, der ab 4.000 U/min bis 10.000 U/min leichtfüßig die Drehzahl-Leiter erklimmt. Dank der kürzeren Übersetzung der Cagiva fühlt sich das auch kräftiger an. Vielleicht lag die gefühlte Zugeschnürtheit auch an der dünn(er)en Bergluft auf mindestens 1.000 Höhenmetern.
Positiv überrascht war ich auch von den montierten Reifen - Pirelli MT60 RS. Mit Grobstollern hatte ich bisher keine Erfahrungen - dieser Reifen hat mein Vertrauen auch in keiner Weise erschüttert. Regenfahrten habe ich, bis auf wenige weil unvermeidbare Kilometer, vermieden. Auf trockener Fahrbahn und verschiedenen Asphaltqualitäten gab es keinen Grund zur Kritik. Einen kleinen, aber ungefährlichen Vorderrad-Rutscher in einer Spitzkehre (Innenbahn) schreibe ich meiner Fahrkunst zu. Das Gefühl, dass der Reifen keine Hitze / warmen Asphalt mag, blieb ein nicht verifizierbares Gefühl.
Etwas erstaunt hat mich die Rad- / Reifenkombination: 110/80-18 vorne, 180/55-17 hinten. Das fährt sich erstaunlich handlich und agil. Selbst die nicht wirklich schwere 650er Raptor geht nicht so leicht und willig ums Eck wie die Icon. Diese Agilität und Handlichkeit führt in schnellen Kurven aber keineswegs zu Unruhe im Fahrwerk. Selbst welliger oder durch Aufbrüche und Flickschustereien rumpeliger Asphalt bringen keine Unruhe ins Fahrwerk. Toll. Die Dicke ist auf solchem Geläuf, selbst mit Wilbers-Fahrwerk, deutlich inkompetenter.
Was noch? Genau, die Bremsen. Vorne eine 330er Soloscheibe mit Vierkolben-Sattel, hinten eine 245er Scheibe mit Einkolben-Sattel. Und naürlich ABS. Reicht. Bergauf wie bergab. Keine giftigen Beisser, aber ordentlich verzögernd. Und selbst mit kräftigem Zug am Hebel kaum in den Regelbereich zu bekommen. Ich fühlte mich zu keiner Zeit unterbremst.
Kauftipp: Niemand wird für die 800er Icon seine 675er / 765er Streety hergeben. Aber vielleicht, bei ausreichender finanzieller Ausstattung, sie zu den Trümpfen in die Garage stellen. Für Verwegene und Früher-waren-die-Moppeds-hübscher-Freunde böte sich die Desert Sled an - selig an die XT 500 erinnernd. Für Asphalties wie mich würde sich der Cafe Racer anbieten. Oder eine Lenker- und Sitzbank-modifizierte Icon.
Fazit und Schlusswort(e): Ich bin immer noch verliebt!
Hallo Fremdmarkentreiber,
wird die Ducati mein neues Spielzeug, das den Platz neben der Dicken einnehmen darf? Ich bin unentschieden, deshalb das ? und das ! im Titel.
Die Icon ist alles andere als perfekt. Dieses Unperfekte gilt nicht für die Verarbeitungsqualität oder die Materialanmutung (die ja in Deutschland immer Premium sein muss). Das Fehlen an Perfektion könnte man auch mir anlasten. Denn als relativ großer (182 cm) und schwerer (94 kg Lebendgewicht) Mitteleuropäer bin ich auf den ersten Blick nicht mit Ducati-tauglichen Maßen gesegnet.
Kritikpunkt 1: Der Lenker
Für mich ein "Apehanger", zudem stark zum Fahrer geneigt. Aber immerhin schön breit. Möglicherweise hilft aber ein flacher(er) und genauso breiter SBK-Lenker die Situation zu entschärfen. Ob dann die nicht die Ästhetik leiden würde? Möglich. Möglich aber auch, dass der Cafe Racer aus der Scrambler-Familie die bessere Wahl wäre.
Kritikpunkt 2: Die Sitzbank
Durch den Verlust von ca. 14 kg Lebendgewicht scheint mein Sitzfleisch gelitten zu haben. Konnte ich in "schweren" Zeiten auf der Dicken Tagesetappen von 300 und mehr Kilometern "auf einer Backe abreissen", bin ich heutzutage froh, wenn ich endlich vom Sattel runter komme. Die erste Sitzprobe auf der Ducati ließ nichts Gutes ahnen, denn bereits beim Aufsitzen protestierte mein Allerwertester. Immerhin bietet Ducati, selbstverständlich gegen Aufpreis, diverse Sitzbankvarianten an. Darunter sogar eine komfortable. Die von mir gefahrene Icon war mit der Seriensitzbank ausgestattet. Man kann zwar weiter nach hinten, auf die breitere Sitzfläche rutschen, aber dann sitzt man auf einer spürbaren Kante. Die vorderstmögliche Sitzposition unterstützt immerhin das Vorderrad-orientierte, spaßige Fahren im kurvigen Geläuf.
Kritikpunkt 3: Das Kaltstartverhalten
Trotz moderner Einspritztechnik und moderaten Aussentemperaturen während der nächtlichen Ruhephasen, braucht der Motor einige Sekunden, um sauber und ohne Verschlucker Gas anzunehmen. Das mag, wenn man in der Ebene anfährt, zweitrangig sein. Wenn man aber eine steile und kurze Rampe hoch muss, um auf die Strasse zu kommen, dann wird es etwas kniffeliger. Da lohnt es sich für des Fahrers Wohl, den Motor kurz warmlaufen zu lassen. Aber nicht minutenlang, das käme auch der Umwelt zugute.
Kritikpunkt 4: Die Kupplung und das Getriebe
Die Kupplung (Mehrscheiben im Ölbad) "klebt" nach dem morgendlichen Kaltstart und lässt sich selbst mit Feingefühl nur schwer dosieren. Das gibt sich aber relativ schnell. Liegt möglicherweise am kalten und damit zähen Öl im Bad - oder daran, dass es sich um eine Antihopping-Kupplung handelt. Da ich bisher keine Erfahrung mit Antihoppler habe, kann ich es nur vermuten. Dafür lässt sie sich für eine mechanische Kupplung erstaunlich leichtgängig und mit wenig Handkraft betätigen. Das Hochschalten geht relativ leicht - muß aber mit Nachdruck ausgeführt werden. Mehr Nachdruck erfordert das Runterschalten. Nicht ganz geräuschlos, aber weit entfernt von krachend. Etwas tricky ist das Suchen und Finden des Leerlaufs. Möglicherweise ist es ein Feature, möglicherweise aber auch nur eine Einstellungssache.
So viel Kritik bisher, und trotzdem verliebt? Das scheint wohl das Geheimnis der Italienerinnen zu sein

Pluspunkte: Der Verbrauch, das Getriebe und der Motor
Okay, meine "Probefahrt" war nur 890 Kilometer lang (siehe Reisethread im Unterforum "Westeuropa") und führte mich ausschliesslich über kruviges bis sehr kurviges Geläuf. Dabei hielt ich mich auf gut asphaltierten Strassen weitestgehend ans Tempolimit, ausser in Kruven, die auch mehr als das Erlaubte erlaubten. Auch kilometerlange Etappen über Schotterstrecken (bergauf max. 30 km/h im 2. Gang, bergab max. 20 km/h und teilweise im 1. Gang) waren dabei. Und eine Menge Schalterei. Der Durchschnittsverbrauch lag meist bei ca. 5 Litern / 100 km - mit mehr Tendenz Richtung 4 als Richtung 6. Bei solchen Verbräuchen verliert auch ein "popeliger" 13,5-Liter-Tank seinen Schrecken - in einer eher Tankstellen-armen Region.
Der Motor lebt. Das hört man, nicht nur aus dem Termignoni-Auspuff. Auch sehr sympathisch: Der stets präsente, aber nie störende V2-Schlag. Er hört und fühlt sich wie ein rauher Geselle an, aber er ist erstaunlicherweise keine Schüttelhuber, der im Stand Spiegelbilder verzerrt oder gummigelagerte Blinker mürbe wackelt. Auch störende oder Gliedmaßen-betäubende Vibrationen sind ihm fremd.
73 PS bei 8.250 U/min und 67 Nm bei 5.750 U/min lesen sich vielleicht nicht übermäßig sportlich oder durchzugsstark. Aber dank des geringen Gewichts von fahrfertigen 186 kg, zeigt sich der Motor in Kombination mit der Gebtriebe-Übersetzung alles andere als unwillig. Anders als der mir wohlvertraute, ähnlich starke und vergaserbefeuerte 650er Suzuki-V2 aus meiner Cagiva, nimmt der 803 ccm große V2 (oder L2) bereits ab ca. 2.000 U/min Gas an und zieht kaum schüttelnd sauber durch. Der Ritt durch die Drehzahlen fühlt sich weniger nach "Tritt ins Kreuz" an, sondern mehr nach Gummiband. Für den lockeren Swing durchs Gebirge sind 4.000 U/min ein guter Schaltpunkt. Schneller und mit höherer Drehzahl geht immer. Ich hatte aber den Eindruck, dass der Motor Drehzahlen über 5.000 U/min weder braucht noch mag. Anders als der erwähnte Suzuki-V2, der ab 4.000 U/min bis 10.000 U/min leichtfüßig die Drehzahl-Leiter erklimmt. Dank der kürzeren Übersetzung der Cagiva fühlt sich das auch kräftiger an. Vielleicht lag die gefühlte Zugeschnürtheit auch an der dünn(er)en Bergluft auf mindestens 1.000 Höhenmetern.
Positiv überrascht war ich auch von den montierten Reifen - Pirelli MT60 RS. Mit Grobstollern hatte ich bisher keine Erfahrungen - dieser Reifen hat mein Vertrauen auch in keiner Weise erschüttert. Regenfahrten habe ich, bis auf wenige weil unvermeidbare Kilometer, vermieden. Auf trockener Fahrbahn und verschiedenen Asphaltqualitäten gab es keinen Grund zur Kritik. Einen kleinen, aber ungefährlichen Vorderrad-Rutscher in einer Spitzkehre (Innenbahn) schreibe ich meiner Fahrkunst zu. Das Gefühl, dass der Reifen keine Hitze / warmen Asphalt mag, blieb ein nicht verifizierbares Gefühl.
Etwas erstaunt hat mich die Rad- / Reifenkombination: 110/80-18 vorne, 180/55-17 hinten. Das fährt sich erstaunlich handlich und agil. Selbst die nicht wirklich schwere 650er Raptor geht nicht so leicht und willig ums Eck wie die Icon. Diese Agilität und Handlichkeit führt in schnellen Kurven aber keineswegs zu Unruhe im Fahrwerk. Selbst welliger oder durch Aufbrüche und Flickschustereien rumpeliger Asphalt bringen keine Unruhe ins Fahrwerk. Toll. Die Dicke ist auf solchem Geläuf, selbst mit Wilbers-Fahrwerk, deutlich inkompetenter.
Was noch? Genau, die Bremsen. Vorne eine 330er Soloscheibe mit Vierkolben-Sattel, hinten eine 245er Scheibe mit Einkolben-Sattel. Und naürlich ABS. Reicht. Bergauf wie bergab. Keine giftigen Beisser, aber ordentlich verzögernd. Und selbst mit kräftigem Zug am Hebel kaum in den Regelbereich zu bekommen. Ich fühlte mich zu keiner Zeit unterbremst.
Kauftipp: Niemand wird für die 800er Icon seine 675er / 765er Streety hergeben. Aber vielleicht, bei ausreichender finanzieller Ausstattung, sie zu den Trümpfen in die Garage stellen. Für Verwegene und Früher-waren-die-Moppeds-hübscher-Freunde böte sich die Desert Sled an - selig an die XT 500 erinnernd. Für Asphalties wie mich würde sich der Cafe Racer anbieten. Oder eine Lenker- und Sitzbank-modifizierte Icon.
Fazit und Schlusswort(e): Ich bin immer noch verliebt!